Risiko und Erfahrung
Der
Mensch ist von Natur aus dazu bereit, vielleicht sogar süchtig
danach, Ungewissheit zu erleben. Während der Alltag immer sicherer
wird, geben uns die Berge die Chance, diese totale Sicherheit zu
verlassen.
Das
heißt aber nicht, dass in den Bergen lauter Leichtsinnige und
Lebensmüde unterwegs sind. Niemand will in den Bergen umkommen.
Man
will dort etwas erleben, sich verausgaben, an seine Grenzen gehen,
gesteckte Ziele erreichen, sich intensiv erleben, erholen – aber
nicht dort sterben.
Jeder
Mensch hat eine andere Risikobereitschaft. Was für den einen als
wahnsinnig erscheint, ist für den anderen harmlos. Bevor man aber
deswegen jemand aburteilt, sollte man bedenken, dass das
Leistungsniveau im Bergsport extrem unterschiedlich ist.
Der
eigene Erfahrungsstand spielt natürlich auch eine wichtige Rolle, ob
ein Unternehmen Wahnsinn oder eine helle Freude wird.
Es
erheitert mich immer wieder, wenn mir ahnungslose Nichtbergsteiger
Tipps und Ratschläge geben, wie ich mich in den Bergen zu verhalten
habe, mich davor warnen alleine in die Berge zu gehen, was ich sehr
oft und gerne mache usw.
Hier
treffen Erfahrung und Hörensagen heftig aufeinander.
Trotzdem,
ein Restrisiko bleibt. Denn im alpinen Gelände drohen alpine
Gefahren.
Wer
sich ihrer bewusst ist, ist in den Bergen bedeutend sicherer
unterwegs.
Das
gefährliche an den Gefahren ist, dass tagtäglich viele Fehler
gemacht werden. Aber nicht alle Fehler gleich erkannt werden oder zu
Unfällen führen.
Derjenige,
der den Fehler gemacht hat, merkt häufig nicht einmal, das er einen
Fehler gemacht hat und lernt daher auch nichts daraus. Auch Routine
kann zu Fehlern durch mangelnde Aufmerksamkeit führen. So geschehen
oft die meisten Kletterunfälle in den Kletterhallen und
Felsengärten. Aber natürlich auch beim Bergwandern.
Alle
großen Heldentaten im Alpinismus entstanden nur, weil die Akteure
bewusst Risiken und Gefahren eingegangen sind. Das heißt nicht, dass
der Normalbergsteiger dies nachmachen sollte.
Der
Geübte und Erfahrene wird sich weniger alpinen Gefahren aussetzen,
als der Neuling.
Er
hat schon viel erlebt und aus brenzligen Situationen gelernt und geht
auch ganz anders mit ihnen um.
Dieses
Lernen und Erfahrung sammeln geht nur durch die Praxis. Aus Büchern
und Blogs kann man nur Theorie und Wissensgrundlagen erlesen. Sie
ersetzen nicht die eigene Erfahrung.
Man
muss daher sein Tun und seine Touren den eigenen Grad der Erfahrung
anpassen und langsam, parallel mit der zunehmenden Erfahrung auch
die Schwierigkeit der Touren steigern.
Wer
nur liest und nicht selbst einmal in den Bergen war, kann leicht beim
Lesen der vielen Gefahren, die dort passieren können, zum Entschluss
kommen, da bleib ich lieber den Bergen fern. Aber Autofahren ist
definitiv gefährlicher als das Bergwandern.
Der Absturz
Bergsteiger
stürzen ab, dass passiert leider immer wieder. Der Absturz ist der
Inbegriff für die Gefährlichkeit der Berge. Das wissen sogar die
Leute, welche noch nie die Berge selbst von weitem gesehen haben.
In
den meisten Fällen ist der Absturz auf menschliches Versagen, zu
wenig Erfahrung, Selbstüberschätzung, Stolpern, Fehleinschätzung
zurückzuführen.
Selten
unverschuldet, wenn z.B. Seilsicherungen ausbrechen, Steinschlag oder
das Seil reißt.
Öfters
hört man wieder die Meldungen, dass komplette Seilschaften
abstürzen.
Wie
passiert so etwas?
Staatl.
Geprüfte Bergführer üben jahrelang, den Kunden am Seil zu führen.
Der
durchschnittliche auch bessere Bergsteiger kann das in der Regel
nicht! Auch wenn man in der Praxis immer wieder solche Seilschaften
sieht. Es gibt nur eine scheinbare Sicherheit, sie kann trügerisch
sein.
Bei
steilem Gelände kann es sehr gefährlich bis tödlich sein, wenn ein
Seilpartner stürzt oder stolpert. Die anderen werden ihm in den
seltensten Fällen halten können und werden mit in die Tiefe
gezogen.
Darum
gibt es bei steilen und gefährlichen Abschnitte nur 3 Arten der
Sicherung:
- kurzes Seil (für Seilschaften mit Bergführer)
- Sicherung über Fixpunkte (für unsichere Geher)
- seilfreies Gehen ( für sichere Geher)
Seilschaften,
das heißt gemeinsam am Seil mit dem Klettergurt angeseilt zu sein,
ist für den normalen Bergsteiger und Hochtourengeher nur sinnvoll
und Lebensnotwendig bei Gletschertouren. Der Sturz eines Seilpartners
in eine Gletscherspalte ist anders zu handhaben, als der Sturz in
steilem Gelände.
Steinschlag
Während
ich diese Zeilen schreibe, leckt meine Frau ihre Wunden,
geschwollener Unterschenkel mit wunderschönen blauen und bunten
Flecken. Ihre Bergkameradin hat auf einem Geröllfeld letztes
Wochenende bei ihrer gemeinsamen Bergtour einen großen Stein
losgelöst. Aber die Tour konnte weitergeführt werden und sie plant
schon die nächste Tour.
Steinschlag
ist sicherlich diejenige unter den alpinen Gefahren, die man am
wenigsten durch Können oder Erfahrung beeinflussen kann.
Das
heißt aber nicht, dass man diese Gefährdung überhaupt nicht
beeinflussen kann.
Wie
kommt es zum Steinschlag?
- Durch vorausgehende Bergsteiger
- Durch Tiere z.B. Gämsen
- nachmittags durch Auftauen der gefrorenen Schicht. (Permafrost)
- starke Regenfälle
Kommt
man an einen bekannten Steinschlag gefährdeten Hang, hat man mehrere
Möglichkeiten:
- Droht Steinschlag, trägt man einen Helm. Wenn man ihn dabei hat.
- Passagen, wo Steinschlag droht, sollen schnell, aber ohne Hektik passiert werden. Auf keinen Fall pausieren, Kleider wechseln o.ä.
- Bei der Tourenplanung und Routenwahl kann man überlegen, ob oberhalb andere Bergsteiger zu erwarten sind. Wenn ja, früh aufstehen um möglichst der Erste zu sein oder warten, bis die anderen Gruppen weg sind oder gleich eine andere Route wählen.
- Die Geländewahl kann entscheidend sein. In Rinnen und Trichtern sammeln sich die Steine, auf Grate und Rücken geht man sicherer.
- Bei kürzeren Passagen geht man sie einzeln. Der Nächste geht erst, wenn der andere aus dem Schussfeld ist.
- Bei längerem Steinschlag gefährdeten Passagen ist es besser, wenn die Gruppe eng beieinander bleibt (Beim Aufstieg). Dann treffen losgelöste Steine mit einer nicht zu hohen Geschwindigkeit auf die Nachfolgenden. Hätte meine Frau dies nicht beachtet, wäre der Steinschlag heftiger ausgefallen.
- Ist man an einer Flanke (Steilwand) oder Wand Steinschlag ausgesetzt, läuft man am besten eng an der Wand und wenn man Zeit hat, den Rucksack über den Kopf ziehen.
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